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Historisches Stichwort Januar 2023: Vor 125 Jahren wird die Straßenbahn von Bochum nach Altenbochum und Laer gebaut

Im Januar 1898 sind die Bauarbeiten für die neue Straßenbahnlinie von Bochum nach Laer in vollem Gange. Gebaut wird entlang der Wittener Straße. Auf dem Gebiet der Stadt Bochum ist diese Straße im Besitz der Stadt. In den noch selbständigen Landgemeinden ist sie eine „Provinzialstraße“ im Besitz der Provinz Westfalen. Diese hatte auch Vorgaben für den notwendigen Straßenumbau gemacht. Die Anlieger entzückte diese Bauweise nicht. In einem Leserbrief in der Bochumer Tageszeitung „Märkischer Sprecher“ beschwerte sich ein Leser ausgiebig. Die Beschwerde ist deshalb für uns heute noch interessant, weil sie die damalige Bauweise der Strecke recht gut beschreibt.

„Die Bochumer Straßenbahngesellschaft hat nun nach etwa dreimonatiger Arbeit das Legen der Schienengeleise in den Gemeinden Altenbochum und Laer beendet. Ueber die Art und Weise, wie diese Arbeit ausgeführt ist, sind schon viele Klagen laut geworden. Jetzt muß es noch besonders auffallen, daß im Bochumer Stadtbezirk, in der Wittenerstraße, viel mehr Rücksicht auf den Verkehr genommen ist, als in den Landgemeinden. In der Stadt werden die Schienen alle in derselben Höhe mit der Fahrbahn gelegt und mit Pflaster eingefaßt. Man kann also überall zwischen ihnen gehen und fahren, obwohl für die Fußgänger noch besondere Bürgersteige vorhanden sind. Wie sieht es dagegen außerhalb der Stadt aus? Etwa ein Drittel der Breite der ganzen Chaussee ist durch einen hohen Bordstein abgetrennt und für die Bahnanlage in Anspruch genommen. Dadurch ist zunächst die Fahrbahn erheblich eingeschränkt und der Weg für Fußgänger ganz beseitigt. Auf der anderen Seite der Fahrbahn befindet sich nur ein schmales Bankett, welches immer mit Stein- und Schlammhaufen bedeckt ist. Die Schienen der Bahn sind nicht etwa dicht an die Baumreihe gelegt, sondern 2-3 Meter von derselben entfernt. Ob es gestattet sein wird, diesen Zwischenraum als Fußgängerweg zu benutzen, weiß man nicht. Jedenfalls hat die Bahnverwaltung durch eine sehr sinnreiche Einrichtung dafür gesorgt, daß in der Dunkelheit Niemand den Weg benutzt. Sie hat nämlich alle 30-40 Meter hübsche kleine Quergräben angelegt, die ca. anderthalb Fuß breit und ein Fuß tief sind und mit recht scharfkantigen Steinen ausgemauert. Wer in der Nacht in einen solchen Graben tritt, kann sicher sein, daß er sich die Schienbeine zerschlägt, wenn er nicht etwa den Fuß bricht oder verstaucht. Nun fragt der Laie, welchen Zweck diese Wolfsgruben haben sollen, deren Anlage doch immerhin erhebliche Kosten verursacht hat? Da heißt es, sie sollen zur Ableitung des Wassers vom Fahrdamm in den Chausseegraben dienen. Zu dem Zweck würden aber für die ganze Strecke etwa 6 Querrinnen genügen. Diese könnten etwas größer angelegt und mit Platten bedeckt werden. Man weiß nicht, welche Vereinbarungen zwischen der Provinzialverwaltung und der Straßenbahngesellschaft getroffen sind. Daß daher so wenig Rücksicht auf die ländliche Bevölkerung genommen sein sollte, ist doch wohl kaum zu glauben. Wir zahlen doch hier auch unsere Beiträge zu der Unterhaltung der Chausseen. Warum entzieht man uns ohne Weiteres, zum Nutzen der Privatgesellschaft, den einzigen Weg, der bisher für Fußgänger gangbar war? Während 4-5 Monaten des Jahres tritt hier die Dunkelheit Nachmittags schon um 5 Uhr ein. Dann sollen wir, unsere Frauen und Kinder, über den fast ausnahmslos mit einer Schlammschicht bedeckten Fahrdamm gehen! Dort ist aber auch in den Abendstunden der Verkehr so stark, daß es sehr schwer ist, den schnell fahrenden Bier- und Metzgerwagen auszuweichen. Auch bei Tage sieht man die armen Arbeiterfrauen, die ihre Kinder mit sich führen müssen, weil sie dieselben nicht allein zu Hause lassen können, mit ihren Kinderwagen durch den Schmutz waten. Soll man denen sagen: Das ist Euch schon recht. Warum zieht ihr nicht in die Stadt? Wir haben es für nöthig gehalten, diese Uebelstände vor die Oeffentlichkeit zu bringen, damit die hohen Behörden von denselben Kenntniß erhalten und für Abhülfe Sorge tragen mögen. Daß von vielen Hausbesitzern darüber geklagt wird, daß die Annäherung an ihre Häuser durch die Bordsteine erheblich erschwert wird, wollen wir nur nebenbei erwähnen.“